Künstlerfeste und Offene Salon-Kultur auch in Dachau
Die ersten 5 Bände der Nymphenspiegel-Buchreihe spiegeln vorwiegend die Würm in ihrem Lauf – dabei wiederum vor allem die von ihrem Wasser durchströmten bzw. an sie grenzenden Gärten, so auch jenen von Schloss Dachau – bis hin zu ihrer Mündung in die Amper.
Beinahe schon ein eigenes Buch zu Dachau mit Schloss, Park und über seine einstige Künstlerkolonie, ist Band IV des Nymphenspiegel, mit dem Untertitel Apollo-Forum, geworden. Mehr über die gesamte Buchreihe und zu allen bisher erschienenen Bände, mit kurzen Inhaltsangaben und AutorInnenlisten, erfahren Sie unter dem Link www.nymphenspiegel.de/nymphenspiegel-baende.
Doch auch die zahlreichen Künstlerfeste des Nymphenspiegel Kulturforum, die im Dachauer Schloss stattgefunden hatten, finden darin Erwähnung, ebenso dessen dort über Jahre hinweg regelmäßig angebotene Vollmond-Tafel der Poesie. Denn ganz nebenbei erfährt man in diesem Dachau-Buch auch einiges zu dessen aktuellen Kultur-Salons, seiner neuen Bohème und zu dessen ganz eigener Veranstaltungsstruktur jenseits des kommerzialisierten Eventismus, der den heutigen Kulturbereich so völlig dominiert.
Die historischen Beiträge zu Dachau aus Band IV stammen von Dr. Norbert Göttler. Und dessen Lyrik-Teil krönt die Dachauer Dichterin Angelika Maria Eisenmann mit einer Auswahl Ihrer Gedichte.
Nymphenspiegel-Künstlerfeste sowie die Poesie-Tafeln in Schloss Dachau – und einige Impressionen dazu
Ergänzung fand das Nymphenspiegel Kulturprogramm in Dachau durch einen regelmäßig stattfindenden Offenen Poesie-Salon, den Ralf Sartori moderierte und zu dem er einmal monatlich, immer zum Vollmond – entweder auf die abendliche Schloss-Terrasse oder in die Intimität eines dafür eigens zur Verfügung stehenden Turm-Zimmers, mit atemberaubenden Blick hinunter auf den Park und in die Weite der Landschaft – einlud:
Diese Offene Vollmond-Tafel der Poesie, die dort regen Zuspruch fand, diente den TeilnehmerInnen als Forum, sich zwanglos, spontan zu treffen und auszutauschen, zur gegenseitigen literarischen Anregung. Dabei trug diese Runde – unter vielen anderen Aspekten – ganz von selbst auch immer wieder Züge einer Schreibwerkstatt.
Herausragende Texte konnten – und können auch gegenwärtig noch – in den Bänden der Reihe Nymphenspiegel veröffentlicht werden.
Der aktuelle (ab 2017) Lyrik-Themenschwerpunkt für die nächste Ausgabe lautet: Liebe und Eros, beflügelt in den Gärten und am Fluss.
Diesen intimen Salon gibt es auch heute noch, nur – vorerst zumindest – nicht mehr im Umfeld von Schloß Dachau, da dort die Nymphenspiegel-Veranstaltungen – aufgrund eines Pächter-Wechsels in der Schloss-Gastronomie – erst einmal zum Erliegen kamen, sondern im privaten Rahmen, als rollierenden, aber weiterhin auch neuen Teilnehmern offen stehenden Salon. Bei Interesse, daran (als Gastgeber oder Gast) teilzunehmen, wenden Sie sich bitte einfach direkt an Ralf Sartori, den Veranstalter und Moderator, unter Mail: nymphenspiegel@aol.com oder tel. unter 0172/ 827 55 75.
Die Altstadt von Dachau rund um das Wittelsbacherschloß
(von Dr. Norbert Göttler / in voller Länge in Band IV des Nymphenspiegel).
Ich sehe meine Vorfahren durch den alten Markt gehen, bedächtig, beladen. Zu ihren Zeiten fuhr man nicht in die Stadt, um zu flanieren. Man entschloß sich dazu, weil man zu tun hatte. Weil an der Schranne ein Geschäft abzuschließen war, oder beim Notar ein Vertrag. Weil ein Gebrechen den Doktor erforderte, oder vor Gericht eine leidige Angelegenheit zu klären war. Das Schloß und seinen verwilderten Garten nahm man nur von Ferne wahr, eher trank man einen Kaffee im Café Brüller oder eine Halbe Bier im Unterbräu, wo die Bauern des Hinterlandes mit Vorliebe ihre Gäuwagerl und Chaisen stehen ließen. Noch meine Großmutter fuhr hierher mit dem Pferdewagen zum Einkaufen und ließ sich von den Knechten des Unterbräus die Gäule abspannen. Noch mein Großvater empfing jeden Morgen den Barbier, der ihn sorgfältig rasierte und ihn mit Zeitung und dem neuesten Dorftratsch versorgte. Wo sind diese Zeiten geblieben? Wie rasant ist die Entwicklung über uns hinweggerollt? Diese Fragen stelle ich mir, wenn ich am Morgen durch die leeren Gassen der Altstadt gehe.
Dachau ist eine spröde Geliebte. Dem aus München Kommenden zeigt sie zunächst eine abweisende, kühle Schulter. Sie umgibt ihre Schönheit mit einem Geflecht aus Gewerbegebieten, gesichtslosen Einheitssiedlungen, Hochspannungsleitungen und Umgehungsstraßen. Vom berühmten Dachauer Moos, das um die Jahrhundertwende eine ganze Künstlerkolonie hier entstehen ließ, kann der Besucher aus der Großstadt bestenfalls ahnen. Noch in der Münchnerstraße des Unteren Marktes fühlt er sich eher inmitten einer verschlafenen City des amerikanischen Mittelwestens als in einer alten, oberbayerischen Residenzstadt der Wittelsbacher. Dachau ist eine spröde Geliebte. Der Nebel der Amperauen liegt im Herbst oft wochenlang über der Stadt, hüllt sie in eisgraue Kälte, tropft von den Bäumen und macht die Menschen wortkarg und verschlossen. Dann stehen die Straßencafés leer und in den nassen Pflastersteinen der Altstadt spiegeln sich nur die Scheinwerfer der Autos. Die Besucher der KZ-Gedenkstätte schlagen ihre Mantelkrägen hoch und spüren vielleicht für wenige Momente ein selten authentisches Gefühl der Verlassenheit und Leere.
Dachau ist eine spröde Geliebte. Und doch ist sie eine Geliebte. Kann man hier überhaupt wohnen, fragen mich ausländische Freunde. Kann man an einem Ort wohnen, dessen Name wohl für immer mit der Aura des Grauens verbunden sein wird? Kann eine solche Stadt Geliebte sein? Oder Mutter? Die behäbigen Bürgerhäuser entlang des Altstadtberges, die stillen Ecken und Winkel, sie erzählen ihre Geschichten. Heitere und traurige. Das ehemalige Geschäftshaus des Schneidermeisters Max Rauffer zum Beispiel, in dem der als Advokat nicht überaus erfolgreiche Ludwig Thoma genügend Zeit fand, seine ersten schriftstellerischen Gehversuche zu wagen. Überhaupt sollen es die Schriftsteller und Dichter sein, die uns auf diesem Weg durch das Dachauer Land begleiten. Sie, ob hier ansässig oder nur auf Durchreise, haben es immer wieder neu unternommen, Facetten eines Landstriches zu beschreiben, der fernab vom Fremdenverkehr des Oberlandes eine herbe, eigenständige Schönheit entwickelte.
(…)
Die Stadtpfarrkirche St. Jakob, zweifellos eine der Schönheiten Dachaus. Vom Haus des Schneidermeisters Rauffers aus sah Thoma tagtäglich auf das ehrwürdige Gotteshaus und hörte das Schlagen und Läuten ihrer Glocken. Gottesdienste besuchte er nach eigenen Angaben eher selten. Nur mehr der quadratische Unterbau des prägnanten Glockenturmes und eine kleine, steinerne Wendeltreppe, “Schnecke” genannt, erinnern noch an den spätgotischen Vorläufer, der 1624 dem heutigen Renaissancebau weichen mußte. St. Jakobus, dem spanischen Nationalheiligen und Patron aller Pilger geweiht, ist die dreischiffige Hallenkirche nach den Plänen des Weilheimer Bildhauers und Architekten Hans Krumpper entstanden, der unter anderem auch das bronzene Standbild der “Patrona Boiariae” an der Münchner Residenz geschaffen hat.
Damit ist schon die dynastische Verbindung Dachaus zu den Wittelsbachern angesprochen. Wer heute von den Sommerresidenzen der Wittelsbacher spricht, meint in der Regel die vielbesuchten Schlösser Nymphenburg und Schleißheim, vielleicht gar die anachronistischen Phantasiebauten Ludwigs II. Das war nicht immer so. Bis weit in das 17.Jahrhundert hinein galt die vierflügelige, burgähnliche Anlage zu Dachau als bevorzugter Rückzugsort der Mitglieder des bayerischen Herzogshauses. Auf exponierter Lage mit herrlichem Fernblick über das gesamte Alpenvorland gelegen, beherbergte der aus dem 16.Jahrhundert stammende Renaissancebau in seinen über hundert Zimmern Maitressen, adelige Festgesellschaften und Jagdfreunde aus ganz Europa. Mehrere tausend Ölgemälde dokumentierten dem staunendem Publikum die langen Ahnenreihen der Wittelsbacher. August Kübler schreibt in seiner Stadtgeschichte von 1928 (Kübler, Dachau in verflossenen Jahrhunderten, Dachau 1924):
“Dort, wo beim Wehr die Amper eine scharfe Biegung nach Osten macht, liegt am Rand der Ebene wie hingezaubert ein Stück Gebirgslandschaft, der Kalkberg. 1596 noch hieß er der Fuxberg. Dieses kleine Paradies erstreckt sich wohl vor 1100 Jahren als herrliches Jagdrevier über die Höhe des Dachauer Hügels hin bis mindestens zum Karlsberg. Dieses Gehölz mag damals schon eine Art Fliehburg in sich geborgen haben… . Das Schloß, dessen Flügel fast ein Quadrat bildeten, war Ende des 16.Jahrhunderts an den vier Ecken mit vor 1700 verschwundenen, in Kuppeln auslaufenden Türmchen geschmückt, welche den Dachfirst wenig überragten. Die Flügel schlossen einen geräumigen Hof ein… . Es sollen darin 108 bewohnbare Zimmer mit insgesamt 350 oder 363 Fenstern gewesen sein… . Zum Verkehr zwischen den Lustschlössern Dachau und Schleißheim diente der noch vorhandene, zwölf Kilometer lange, schnurgerade dahinlaufende Kanal, den das Hofbauamt unter Ferdinand Maria um 1687 durch gefangene Türken graben ließ, und auf dem ´die hohen Herrschaften´ gerne in Gondeln spazieren fuhren.”
Mit zunehmender Repräsentationsfreude und Großmannssucht des bayerischen Herrscherhauses begann der Glanz der Amperresidenz zu schwinden. Da half auch nicht, daß Max Emanuel die Anlage zwischen 1715 und 1717 von dem gebürtigen Dachauer Hofbaumeister Joseph Effner nach französischen Vorbildern barockisieren ließ, daß nun plötzlich Treppenvestibüle und Terrassenplätze, verspielte Ornamente, Rocaillien und Gesimse das bisher streng geometrisch gegliederte Bauwerk auf den gegenwärtigen Stand feudalen Zeitgeschmacks bringen sollte. Nein, die neue Kurfürstenwürde forderte den Bruch mit der biederen Vergangenheit der Ahnen, forderte auch in bayerischer Umgebung die Anlehnung an das große Vorbild Versailles, wo der eitle Sonnenkönig über das architektonische Epigonentum in ganz Europa nur lächeln mochte. Das alles konnte Dachau nicht leisten, dazu war die alte Anlage zu schlicht, zu wehrhaft, zu nüchtern. In rasender Eile wurden dagegen die Mauern von Nymphenburg und Schleißheim hochgezogen, die Staatskasse war längst ruiniert, während das Volk seit den Tagen des Spanischen Erbfolgekrieges ausgeblutet und elend dahinlebte. Kaum mehr nutzten Mitglieder des kurfürstlichen Hauses ihr Besitztum in Dachau, immer seltener konnte man goldbeschlagene Kutschen und Kaleschen den steilen Schloßberg hinaufziehen sehen. Das 19.Jahrhundert schließlich sollte den Tiefstand in der Geschichte der ehemals so stolzen Herzogsresidenz bringen. Französische Truppen hatten im Gefolge der Napoleonischen Kriege auch den Markt an der Amper besetzt und die weitgehend leerstehenden Räume des Schlosses kurzerhand zu Lazarettsälen, Viehställen und Waffenkammern umfunktioniert. Daß sie – trotz der Wetterfahnenpolitik der Wittelsbacher, die Bayern eine im Grunde anachronistische Königswürde einbringen sollte – mit dem restlichen Inventar des Landsitzes nicht zimperlich umgingen, liegt auf der Hand. Kurzum – nach Abzug der Truppen war das Schloß Dachau weitgehend ruiniert, an einen Wiederaufbau bei dem erbärmlichen Stand der Staatsfinanzen nicht zu denken, und so kam es, wie es kommen mußte: König Max I Joseph erteilte 1806 die Order zum Abriß von drei der vier Gebäudeflügel. Monatelang zogen daraufhin die Ochsenkarren den Berg hinauf, um aus dem Abbruchmaterial Steine für die daraus entstehenden Mooskolonien Augustenfeld und Karlsfeld abzutransportieren. Lediglich der Saaltrakt mit der hölzernen Renaissancedecke sollte erhalten bleiben, aber auch dies unter ganz und gar unhöfischen Bedingungen: das ganze 19.Jahrhundert hindurch wurde dieser Trakt vom Markt Dachau als Getreidespeicher und Viehstall genutzt! Heute spiegelt der Saal wenigstens einen Hauch der einst prachtvollen Vergangenheit wieder, seit er sorgfältig restauriert worden und zusammen mit den anliegenden Gartenanlagen – 1716 wurde der barocke Hofgarten, 1790 dann der Englische Garten angelegt – zu einem Anziehungspunkt der Dachauer Altstadt geworden ist. Der Kunsthistoriker Wilhelm von Hausenstein schrieb 1935 anläßlich eines Besuches in der Amperstadt (Hausenstein, Besinnliche Wanderfahrten. München 1935):
„Dachau selbst mag zu den schönsten oberbayerischen Städten gerechnet werden: der geschweifte Anstieg der Straße von Osten nach Westen hinauf; die hochgelegene Kirche inmitten alter Häuser; der Zusammenlauf der Zugänge auf dem Platz, dreifach heraufmündend und dreifach wieder zu Tale leitend!“
„Besinnliche Wanderfahrten“ hat Hausenstein seine Wege durch das Dachauer Land genannt, und tatsächlich kann man schnell zu sich finden, wenn man sich auf diese Stadt und auf diesen Landstrich einläßt. Die Kirchen und Kapellen sind fast immer leer, die Landschaft anregend, aber unaufgeregt, die Wolkenstimmungen lassen auch die Gedanken ziehen. Hausenstein war einer der vielen, die das so erlebten. Er war auch einer der vielen, die kamen und gingen. Thoma, Doderer, Toller, Hölzel, Taschner, Generationen zuvor Abraham á Santa Clara, Fischer, Westenrieder und Dieffenbrunner – sie alle hinterließen ihre Spuren in Dachau, aber sie waren keine Dachauer! Die Stadt an der Amper, ist sie eventuell nicht nur eine spröde, sondern auch eine unfruchtbare Geliebte? Zieht sie zwar die großen Namen an, schenkt aber nur wenigen von ihnen das Leben? Nur einige Ausnahmen scheinen diese Regel zu bestätigen. Joseph Effner ist zu nennen, Dachauer Gärtnerssohn und kurfürstlicher Hofbaumeister oder später der Theologe und Pädagoge Prof. Dr. Joseph Göttler, Gründer der Münchner Schule der Pädagogik. Auch das Hinterland kann die Statistik nicht schönen! Freilich wird Altomünster einen Professor Alois Dempf, und Eisenhofen einen Weihbischof Johannes Neuhäusler für sich reklamieren, doch so richtig im breiten Bewußtsein der Öffentlichkeit ist nur der bei Unterweikertshofen geborene Raubmörder Mathias Kneissl geblieben! Da dieser aber meines Wissens wenig Literarisches hinterlassen hat, möge das Schlußwort dieses Kapitels einem „Zuagroastem“ zugestanden sein, dem späteren Bundespräsidenten Theodor Heuss. Er hatte sich für einige Monate im Dachauer Schloß einquartiert und in sein Reisetagebuch notiert (Heuss, Vorspiele des Lebens. Jugenderinnerungen. Tübingen 1953) :
“Den Abschied von der Jugend habe ich, wie mir heute noch scheint, auf eine gute Weise vollzogen. Einer der Ausflüge von München hatte nach Dachau geführt. Dort nahm ich bei dem Kastellan des Schlosses, der zugleich dem nahegelegenen Amtsgerichtsgefängnis als Wärter diente, eine Stube mit dem Blick auf den Schloßgarten. Die Miete kostete 15 Mark… . Im Schloßsaal fanden bei Mund- und Ziehharmonika Tanzabende statt von einer empfindsamen Grandezza, wie solche nur in mittleren Romanen vorkommen. Sie waren gar nicht krachledern-oberbayerisch, die Beamtentöchter sogar leicht angestädtert…”
Künstlerkolonie Dachau
Die Künstlerkolonie Dachau ist Ausdruck einer neuen Sichtweise in der Malerei, die – ausgehend von Barbizon bei Paris – ab etwa 1890 die europäische Kunstwelt prägt: Die Freilichtmalerei, auch plein-air-Malerei genannt, läßt Scharen von Künstlern und Kunststudenten in die Umgebung der großen Akademiestädte strömen, immer auf der Suche nach landschaftlichen Sonderheiten: das Teufelsmoor bei Worpswede etwa, die Insellage Rügens oder das Voralpenland um Frauenchiemsee. Auch die einsame Landschaft des Dachauer Mooses, ein Niedermoorgebiet nördlich von München, das sich von Fürstenfeldbruck bis weit in das Freisinger Land hinein die Amper entlangzieht, beginnt die Künstler zu inspirieren. Neben Worpswede im Teufelsmoor bei Bremen soll die Dachauer Künstlerkolonie um die Jahrhundertwende zur bedeutendsten in Deutschland avancieren.
Einer der ersten Künstler, der die Landschaft zwischen Amper und Würm im Norden Münchens entdeckt, ist der königlich-bayerische Galeriedirektor und spätere Professor für Landschaftsmalerei an der Münchner Akademie, Johann Georg Dillis, der bereits 1834 Dachauer Landschaften aquarelliert. Ihm folgen Eduard Schleich, Dietrich Langko und Carl Spitzweg. Der zu dieser Zeit noch wenig bekannte Spitzweg, der mit Vorliebe das kleinbürgerlich-behäbige Leben alter Märkte und Städte schildert, hat in Dachau viele Anregungen für seine Arbeit erhalten. Etwa um 1870 lebt nur wenige Kilometer südwestlich von Dachau, in dem Amperort Graßlfing, zurückgezogen und weltabgeschieden, einer der eigenwilligsten und bedeutendsten Künstler seiner Zeit: der Piloty-Schüler Wilhelm Leibl.
Sind es in den Jahren zwischen 1840 und 1880 in erster Linie Landschafter gewesen, die der stimmungsvollen Motive wegen immer wieder das Dachauer Land besuchen, so ändert sich das in den achtziger Jahren. Nicht mehr ausschließlich Maler finden sich nun in der immer größer werdenden Schar von Künstlern, sondern auch Holzschneider, Bildhauer, Grafiker und Porträtmaler. Und das wesentliche – die ersten Künstler werden in Dachau seßhaft, die Kolonie entsteht. Einige Dutzend Atelierhäuser und Künstlervillen zeugen heute noch von dieser Phase. Eine eigenständige, einheitliche Kunstform, sozusagen eine “Dachauer Schule” hat es dennoch nicht gegeben, zu prägend war die inhaltliche Nähe zur „Münchner Schule“.
Nach langer Aufbauphase hebt um 1890 die Glanzzeit der Künstlerkolonie Dachau an. Zu den herausragenden Namen zählen Heinrich von Zügel, Robert von Haug, Bernhard Buttersack und Otto Strützel, ebenso wie Lovis Korinth, Leopold von Kalckreuth, Eugen Kirchner, Max Liebermann, Ludwig von Herterich, Max Slevogt, Ignatius Taschner und Fritz von Uhde. Auch in umliegenden Orten wie Etzenhausen oder Haimhausen entstehen kleine Kolonien, außerdem folgen Schriftsteller ihren Malerfreunden nach (Ludwig Thoma, Heimito von Doderer, Theodor Heuss u.a.). Im Jahr 1890 schließlich kommt Adolf Hölzel nach Dachau und bildet zusammen mit seinen Freunden Ludwig Dill und Arthur Langhammer den Künstlerkreis „Neu-Dachau“. Mit dem Schaffen Hölzels deutete sich Höhepunkt und Ende der großen Zeit der Landschaftsimpressionisten in Dachau an. In Theorie und Praxis nach neuen Ausdrucksformen suchend, geht er erste, vorsichtige Schritte in Richtung eines abstrahierenden Expressionismus – mehrere Jahre vor Wassilij Kandinsky und Paul Klee.
Künstlerfeste in Dachau
So manches wertvolle Gemälde hat auf diese Weise den Besitzer gewechselt. Die Gemäldegalerie Dachau bewahrt heute noch ein Skizzenbuch aus dem Nachlaß des „Fischerwirtes“, in dem bedeutende und unbedeutende Künstler der Jahrhundertwende feine Zeichnungen und Aquarelle hinterlassen haben und damit wohl ihre Essensrechnungen beglichen haben.
Norbert Göttler / Leseprobe aus Band IV des Nymphenspiegels / Das Copyright auf alle Texte liegt bei den jeweiligen AutorInnen, für deren Verwendung im Rahmen des Nymphenspiegel, bei der Redaktion, und ist in jedem Fall zu respektieren.
Alle Nymphenburg Bücher können, wie auch jenes Dach-Buch und jeder andere Band dieser Literatur- und Fachreihe “Nymphenspiegel”, sowohl in jeder Buchhandlung als auch direkt bei der Redaktion versandkostenfrei bestellt werden, unter dem Link www.nymphenspiegel.de/nymphenspiegel-baende. So finden sich unter diesem Link nicht nur die Angaben zu den Bestellmöglichkeiten, sondern auch sämtliche Autoren-Verzeichnisse aller bisher erschienenen Bücher.
Ralf Sartori