Nymphenspiegel unterhält mit dem Botanischen Garten in München ein permanentes Garten-Kulturprojekt
- in Form des über viele Jahre hinweg immer wieder aktualisierten Bücherbaumes, der derzeit jedoch keine Früchte trägt.
- in Form von Kunstausstellungen im Grünen Saal des Botanischen Gartens in München mit Schwerpunkt Garten-Themen
- in Form regelmäßiger Fachbeiträge von wissenschaftlichen AutorInnen des Botanischen Gartens sowie Interviews zu aktuellen Themen in den Ausgaben der Reihe Die neue Isar innerhalb der Nymphenspiegel-Edition
- anhand weiterer Kunst im Park
Näheres dazu in den Bänden der Nymphenspiegel-Buchreihen – hier nur zwei Beispieltexte nach der folgenden Beschreibung des Bücherbaumes und seiner Ideenwelten:
Über die Kultur-Partnerschaft mit dem Botanischen Garten in München
Im Botanischen Garten in München – der unmittelbar an den Nymphenburger Schlosspark grenzt, treffen die Besucher auf die Atmosphäre einer offenen und schöpferisch spielfreudigen Geisteshaltung; er bietet schon seit Jahren KünstlerInnen ein Forum, ihre Werke dort auszustellen, doch mehr als das: nämlich sie an den passenden Orten in das gärtnerische Umfeld zu integrieren, ihnen dadurch, wie auch diesen Orten, eine erweiterte Wirkung und Geltung zu verschaffen.
In dieses organische Zusammenspiel von historischer – und mehr als nur systematisierender Gartenkunst, mit zeitgenössischer Kunst im Garten, fügt sich auch die seit 2006 bestehende Kunst- und Kulturpartnerschaft des Botanischen Gartens mit dem Nymphenspiegel- Kulturforum.
Den offiziellen Auftakt dazu bildeten im Frühling 2007 Hängung und Einweihung des Bücherbaums, ein festliches Ritual, das wir, in Form eines Picknicks, mit Live-Musik und Tanzgelegenheit im Botanischen Garten, bis 2015 jeden Mai wiederholten, woraufhin die Bücher dann in der Regel bis in den folgenden November hinein im Baum hängenbleiben. Das Konglomerat der mit dem Bücherbaum verbundenen Ideen stellt sich wie folgt dar:
Nymphenspiegel und sein Bücherbaum
Im Rahmen des Nymphenspiegel-Kulturforums, das es seit 2005 gibt, erschienen bis 2016 neun Bände innerhalb der gleichnamigen Buchreihe. In den ersten Ausgaben spiegelten diese Buch-Kompositionen, von Anfang an aus fachlichen und literarischen Texten bestehend, die von einer Vielzahl wechselnder, größtenteils namhafter AutorenInnen verfaßt werden, Gärten oder ähnliche Orte, in denen sich Natur und Kultur in besonderer Weise verbinden, ein Merkmal, das mehr oder weniger auch vielen unserer heutigen Flusslandschaften zu eigen ist, die mittlerweile im Zentrum der Nymphenspiegel-Buchreihe stehen. Anregung, den Ideen-Organismus Nymphenspiegel zu initialisieren und als dauerhafte Einrichtung zu verwirklichen, stellte sich nach und nach auf Spaziergängen im Nymphenburger Schloßpark ein, der für die ersten drei Bände des Nymphenspiegel Themengeber und inspirativer Ausgangspunkt war und auch heute teilweise noch ist.
Ab 2010 verlagerte sich der Fokus dann hauptsächlich auf die Isar und ihre thematischen Umfelder, aber unter Beibehaltung des bewährten Grundkonzeptes.
Neben dieser Buchreihe bietet das Projekt von Anfang an auch noch ein breitgefächertes Angebot an Salon-Kultur in Kabarett, Literatur, Konzert und Atélierfesten, die wiederzubeleben darin ebenfalls ein zentrales Anliegen darstellt, ein Ansatz, den wir behutsam immer wieder auch ein wenig in die Veranstaltungen einbeziehen, zu denen der Nymphenspiegel gelegentlich in den Botanischen Garten lädt.
Das Bildungsprogramm dieses Gesamt-Forums (Umwelt, Politik, Geschichte und Kultur) bietet dazu unter vielem anderen noch historische Stadtführungen, Vorträge, Diskussionsveranstaltungen sowie fachliche Fluß- und Garten-Exkursionen.
Mehr zum Gesamtprogramm unter nymphenspiegel.de/nymphenspiegel-veranstaltungen
Ideen-Hintergründe des Bücherbaums
Die künstlerische und insbesondere literarische Inspiration, aber auch das gesamte Spektrum fachlicher und gesellschaftlicher Aspekte, die von Garten- und Flussnatur ausgehen und im Gesamtprojekt Nymphenspiegel, mit jedem Band neu, ihren Niederschlag in ganzheitlicher und interdisziplinärer Weise finden, werden mit dem Bücherbaum Natur und Garten in zyklischer Weise symbolisch zurückgegeben. Dabei entsteht eine wachsende Bibliothek für Spaziergänger im Botanischen Garten, die fast jährlich erweitert wird.
Zudem trägt das absichtslose Flanieren in Gärten, betrachtet man einmal den künstlerischen Anteil dieser Garten-Bücher, maßgeblich über dessen inspiratives Potential zu den literarischen Früchten bei.
Und diese Ernte, die der Nymphenspiegel jährlich als Buchgarten mit aufnimmt, findet im Bücherbaum den luftdurchfluteten Raum und die ungestörte Atmosphäre, ihren Geist zu verströmen und diesen wieder über das luftige Element an den Äther, die Parkseele, zurückzugeben, über Regen und Wind, der ihn weiterträgt auf seiner Reise – vielleicht zu den nächsten Lustwandlerinnen und Flaneuren, die sich dadurch literarisch angeregt fühlen.
Doch lassen wir die geistige Seite dieser Bücher, die der Bilder und Gedanken, einmal außer Acht, so haben sie ihren Körper schließlich von den Bäumen erhalten und kehren so in gewisser Weise auch wieder zu ihrer Mutter zurück, der Mater(ie), aus der sie gemacht sind. Dadurch finden rituell Natur und Geist, nicht nur in Form des Buches, sondern auch darüber hinaus, draußen, im Tanz der Elemente, künstlerisch, erneut zusammen.
Poesie und Politik im Nymphenspiegel
Doch abgesehen von den künstlerisch musischen Aspekten stehen ab Band VI des Nymphenspiegel Naturschutz, Renaturierungs-Projekte und -Anliegen, insbesondere der Isarplan in München – und das Thema Bürgerbeteiligung, in diesen Zusammenhängen – im Zentrum der Betrachtung. Und auch der Botanische Garten in München ist in fast jedem Band mit einem eigenen primär fachlich orientierten Artikel vertreten.
Buch-Bestellungen:
Alle Ausgaben dieses politisch-künstlerischen Gesamtprojekts Nymphenspiegel sind im Buchhandel erhältlich, können aber ebenso über diese Seite schnell, unkompliziert und versandkostenfrei bestellt werden.
Die erforderlichen Angaben hierzu wie auch eine kurze Vorstellung der bisher erschienenen Bücher finden Sie unter dem folgenden Link: www.nymphenspiegel.de/nymphenspiegel-baende.
Nymphenspiegel-Ausstellungen, Lesungen und Konzerte im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Botanischen Garten
Alle ein bis zwei Jahre präsentiert sich der Nymphenspiegel im Grünen Saal des Botanischen Gartens. Dabei werden die neuen Publikationen vorgestellt und die aktuelle Version der Photo-Wanderausstellung des Kulturforums. Oder wir binden KünstlerInnen ein, mit denen wir über unser Netzwerk zusammenarbeiten, wie hier zu sehen bei der gemeinsamen Vernissage mit dem Künstlerkreis Kauz im Grünen Saal 2011.
Die Wanderausstellung des Kulturforums dokumentiert die Kulturarbeit des Nymphenspiegels und stellt seine visuell-künstlerische Seite dar. Hauptthema bei letzterer ist der Perspektiven-Wechsel. Die Betrachter sollen zu neuen Sichtweisen auf bekannte Gärten angeregt werden. Der Blick löst sich wieder von eingefahrenen Sehgewohnheiten, die oft, speziell beim Nymphenburger Park, aber auch im Botanischen Garten, geprägt sind von den üblichen vordergründigen Broschüren- und Postkarten-Motiven, die uns hindern können, diese Orte stetig neu, in ihrer Tiefe und ihrem ganzen Facettenreichtum zu erfahren.
Interview mit Rudolf Müller
(Technischer Leiter des Botanischen Gartens/ Interview von Ralf Sartori, aus Band IV der Reihe Nymphenspiegel)
R .S.: Lieber Rudolf Müller, ich finde es sehr schade, daß ein so leidenschaftlicher Gärtner vom alten Schlag, wie Sie es sind, der noch universell und spartenübergreifend denkt und handelt, bald die Bühne des Botanischen Gartens verlassen wird. Wie lange arbeiten Sie schon dort?
Rudolf Müller.: „Als ich angefangen hab, waren noch die Reviergärtner von der Zeit während des Krieges da. Die sind damals gerade in Pension gegangen. Das war natürlich eine schwierige Situation.“
Ralf Sartori.: „Waren Sie von Anfang an der technische Leiter?“
R. M.: „Nein, zuerst Abteilungsleiter fürs Freiland. Mein Vorgänger, der Wilhelm Schacht, war ein berühmter Staudengärtner, der sehr viele Bücher geschrieben hatte. Und dann übernimmt man erst einmal das Erbe. Für ihn war es vorrangig, alles zu erhalten, den Bestand.“
R. S.: „Der Botanischen Sammlung?“
R. M.: „Ja, das geht bereits beim Gras los. In dem Moment, wo man den Weg verläßt, beginnt die Sammlung. Denn eine Wies´n ist nicht einfach nur irgendein Gras. Leider wird das nur heute nicht mehr so geschätzt. Und viele Besucher sehen es schon gar nicht“
R. S.: „Also ihr achtet genau d´rauf, was in den Wies´n drin ist?“
R. M.: „Ja, mein Fachgebiet war aber ein ganz anderes, Gehölze vor allen Dingen. Denn von meiner Ausbildung her bin ich Baumschulist, vom Studium her Obst- und Gemüsebauer, was eine ganz gute Kombination ist. Also kümmerte ich mich zuerst vor allem um die Gehölze, kaufte so wenig wie möglich mit Veredlungen an, sondern zog alles, so weit es ging, aus Wild-Material. Das ist immer das Sicherste. Und Gehölze sind mit einer Generation nicht abgetan. Dann baute ich diesen Bereich ein wenig auf, da der Schacht sich mehr um die Stauden als um Gehölze gekümmert hatte. Dazu wurde eine kleine Baumschule angelegt.“
R. S.: „Wo befindet die sich denn?“
R. M.: „Im Gartenbereich, allerdings für Besucher unzugänglich. Sie umfaßt Anzuchtflächen von circa zwei Hektar.
R. S.: „Ist die denn beim Nutzgarten, bei den Kräutern?“
R. M.: „Nein, nördlich vom System. Sie ist auch nicht so ganz einsehbar, muß es auch nicht sein. Da haben wir Versuche laufen, mit Gründüngung zum Beispiel. Eine andere Fragestellung ist zum Beispiel, was man unternehmen kann, damit man weniger mit Beikräutern zu tun hat. Dabei kamen wir beispielsweise drauf, daß sich bestimmte Tomatenpflanzen wunderbar zur Unkrautbekämpfung eignen. Solche Versuche lassen sich aber nur durchführen, wenn man Ruhe hat und keine Besucher in diesen Bereich kommen.
Und wir experimentierten mit Kürbisgewächsen, Pflanzen, die sehr viel Trockenheit aushalten, bauten Schotterbeete, trugen den Humus ab und füllten mit Sand und Kies auf, so wie der Boden sich auch in den Isarauen zusammensetzt. Das hat sich jetzt natürlich bewährt. Nach 30 Jahren kann ich sagen, wir waren da genau richtig gelegen. Denn es ist insgesamt einfach trockener geworden und so konnten wir da Pflanzen ansiedeln, die unwahrscheinlich viel Trockenheit aushalten und früher bei uns gar nicht winterhart waren. Da hier obendrein die Klimaveränderung noch dazu kommt, die wir im Garten schon eindeutig zu spüren bekommen.“
R. S.: Also die Klimaveränderung der letzten Jahrzehnte hat bereits nachweisliche Veränderungen im gärtnerischen Pflanzen-Sortiment hervorgerufen?“
R. M.: Auf jeden Fall. Daß da vieles anders geworden ist, haben wir, die wir ja tagtäglich mit den Pflanzen umgehen, ziemlich schnell herausgefunden. Manches sieht man schon bei den Aussaaten und sagt sich: Mensch, da kommt mal wieder etwas, das ist auf einmal winterhart, was es früher eben nicht gewesen wäre, und lauter solche Geschichten.
Man braucht auch eine gewisse Zeit, um sich, wenn man anfängt, in einen Garten einzuarbeiten. Man kommt dahinter, welche Himmelsrichtungen bei uns gefährlich-, welche wofür günstig sind, wo man die Pflanzen schützen muß, et cetera. Das kriegt man dann alles mit der Zeit selber raus, das kann man nicht anders lernen.“
R. S.: „Also war viel Neuland dabei, wenn man aus dem Baumschulbereich kommt?“
R. M.: „Eigentlich gerade deshalb nicht, da der Baumschulbereich-, oder auch der Obst- und Gemüsebau ja schließlich den klassischen Gartenbau ausmachen, das wird nur allzuleicht vergessen: Wir leben ja schließlich von dem Grünzeug und zwar sehr gut. Auch das Schweinefleisch, das wir essen, gibt es nur dadurch. Man muß sich erst einmal klarmachen, was ein Gärtner überhaupt produziert.“
R. S.: „Das Schweinefleisch aus dem Supermark –, doch wohl mittlerweile mehr durch den us-amerikanischen Gen-Mais, oder nicht?“
R. M.: Ja, s´ist aber dennoch Grünzeug und irgendwo muß es schließlich auch herkommen. Gute Gemüsebauern wird man nur immer öfter erst suchen müssen. Der Beruf hat mittlerweile auch ein bisserl einen schlechten Ruf. Man weiß nicht genau, woher das kommt, obwohl es ein Lehrberuf ist.
R. S.: „Vom konventionell angebauten Supermarktgemüse.“
R. M.: „Ja, aber das muß ebenfalls irgendwie wachsen. Und auch der Supermarkt macht einen Vertrag mit einer Gärtnerei, um dann termingerecht den Salat zu bekommen. Der Salat ist auf Termin gezogen. Rettich übrigens auch. Das ist gerade in München so. Um München, da ist ein guter Rettichboden. Das Ismaninger Kraut ist auch bekannt. Und in der Münchener Gegend, diese Gemüsegärtnereien dort, sind außerdem weltberühmt, weil sie eine der besten sind. Das ist übrigens sehr interessant, daß die auch Saudi-Arabien beliefern und andere arabische Länder. Allerdings muß man auch sagen, daß viel des Erfahrungswissens über Anbau-Kulturen heute fast in Vergessenheit geraten ist. Und das ist bitter, gerade auch bei dieser Wirtschaftslage. Denn das Gemüse wird über kurz und lang so teuer, daß dann jeder sagt: Menschens Kinder, wir sollten es wieder selbst ziehen, wo immer wir nur dazu Gelegenheit finden“
R. S.: „Aber verschwinden nicht laufend Arten? Ich kann mich erinnern, daß in meiner Kindheit die Tomaten ganz anders waren, die Erdbeeren … .“
R. M.: „Ja, es sind aber durchaus bereits wieder mehr geworden. Das ist kein Problem, weil die können sich auch untereinander so wunderbar kreuzen, Erdbeeren genauso. Da gibt’s ja tausende von Sorten.“
R. S.: „Aber ist es denn nicht so, daß von den Konzernen das Saatgut kontrolliert wird?“
R. M.: „Stimmt, das ist natürlich etwas anderes. Das gilt beim Vertragsanbau. Das geht dann meist über die Ketten, wo der Aufkäufer oft der gleiche ist wie der Saatgut-Lieferant oder zumindest die Sorten vorschreibt. Es gibt aber auch den kleinen Gemüseverkäufer, der kauft meist noch bei kleineren Betrieben ein. Und das ist dann teilweise schon eine super Qualität. Das muß man jetzt schon mal sagen, auch wenn man mal das „Bio“-Thema ganz wegläßt.“
R. S.: „Das Problem ist ja oft der Folienanbau, wo dann die Pestizide nur so reingeblasen werden.“
R. M.: „Nicht unbedingt. Deshalb braucht man noch lange nicht gleich Pestizide reinblasen. Im Gegenteil: Folienanbau kann auch den Vorteil haben, daß zum Beispiel bestimmte Schädlinge gar nicht rankommen. Folie hilft einfach, das Gemüse zu treiben, um früher welches zu bekommen. Das ist dann der Kampf um den Marktanteil.“
R. S.: „In Deutschland bestimmt, aber in Spanien vernichtet es oft ganze Landstriche. Da baut man dann für den Export im großen Stil an, ohne dabei auf die eigenen Wasser-Ressourcen Rücksicht zu nehmen“.
R. M.: „Das Dumme ist vor allem, daß man heute vielerorts Grenzbereichs-Pflanzen kultiviert, die für die betreffende Region eigentlich gar nicht angebaut gehören. Wie in Spanien zum Beispiel die Paprika, … . Und oft geht dabei ganz unnötig viel zu viel Wasser drauf. Dabei vergißt man zu leicht, daß wir zuerst unser Trinkwasser brauchen und dann erst der Gemüseanbau kommt. Paprikas aus Spanien sind sowie nicht ideal, da diese Pflanzen eine Nachtabsenkung brauchen. Die wollen es nachts nämlich kühl, damit sie optimal gedeihen. Und dann sind sie auch gesund. Wenn man die Pflanzen tatsächlich standortgemäß anbaut, fehlt ihnen auch nichts. Dann brauche ich auch fast keinen Pflanzenschutz.
R. S.: Nun fallen aber gerade Anbau-Länder wie Spanien oder die Türkei bei Stichproben-Untersuchungen von Supermarkt-Gemüse durch „Greenpeace“ oder „Öko-Test“ immer wieder besonders negativ auf
R. M.: „Ja, wenn die Früchte von bestimmten Großanbaugebieten kommen. Aber dann fällt es immer gleich auf ein ganzes Land zurück. Doch auch Spanien, die Türkei haben tolle Gemüse.“
R. S.: „Aber wenn´s im Supermarkt liegt, kann man nicht mehr nachvollziehen, wo es genau herkommt.“
R. M.: „Da steht dann bloß das Land dort, das ist ja das Blöde. Darum wäre es besser, wenn die Angaben genauer sind. Aber es kommt vielleicht noch, wie das auch die Österreicher machen.“
R. S.: „Doch gehört, um vernünftig einzukaufen, nicht auch Wissen dazu?“
R. M.: „Das Problem beginnt schon im Kindergarten und in den Schulen, weil dort gar nicht mehr drauf aufmerksam gemacht wird, was ist überhaupt Gemüse, und was, gesundes Gemüse.
R. S.: „Das Problem ist doch vor allem, wenn alles nur dem freien Markt und den kurzfristigen Interessen der Wirtschaft untergeordnet wird und man diesem den höchsten Stellenwert einräumt, kann man ja schließlich auch nicht erwarten, daß so etwas wie eine sinnvolle menschengerechte Bildung stattfindet?“
R. M.: „Naja, da fehlt´s eben schon… Wir hatten an der Volksschule noch das gute Fach Heimatkunde. Und das war nicht schlecht, weil sich das auch um die Dinge des täglichen Lebens gedreht hat. Da ist dann der Gärtnereibetrieb besucht worden, in der 3. oder 4. Klasse. Da wußte man danach: Aha, das ist die Gärtnerei soundso, mit seinen Radieserln, und es entstand ein Bezug dazu. Und das geschieht heute beispielsweise nicht mehr. Wir sehen das an den Schülerpraktikanten, die wir da haben vom Gymnasium. Das Wissen über solche Dinge ist katastrophal. Da kannst du dir oft nur an den Kopf fassen. Aber das ist so. Und bei den Erwachsenen kannst du das sowieso nicht verlangen, da ist es ja zumeist noch schlimmer. Es ändert sich auch unser ganzes Umfeld. Und es geht alles schneller, da muß man nur beim Essen zuschauen, wie alles reingestopft wird. Das ist kein Genuß mehr, das Essen. Einfach rein und fertig. Da geht’s ja auch schon los.“
R. S.: „Doch viele der Erwachsenen werden jetzt immer kränker, kriegen ihre Allergien und dann fangen sie vielleicht langsam an, sich mehr über die eigentlichen Bedingungen ihres Lebens zu interessieren?“
R. M.: „Die Allergien kommen ja nicht von ungefähr. Die auf dem Land draußen haben weniger Allergien. Also die, die zum Beispiel im Kuhstall aufwachsen.“
R. S.: „In Berlin haben wir das in den 80ern, als das Thema langsam in aller Munde kam, gerne als Neon-Krankheiten bezeichnet, aus dem Gefühl, daß das gewiß etwas mit der zunehmenden Denaturierung unserer Lebensweisen zu tun hat.“
R. M.: „Ah, da kannst du ja manchmal lachen. Aber das hilft nichts, da müssen wir wohl durch. Aber es wird hoffentlich wieder ein bisserl anders. Wir haben manchmal im Botanischen Garten auch ganz kuriose Anfragen: So wollte neulich jemand seine Regenwürmer bekämpfen…“
R. S.: „Bekämpfen? Regenwürmer? Im Ernst?“
R. M.: „Ja, die Regenwürmer. Die machen solche Hügel. Er hätte einfach zu viele davon, die möchte er loswerden. Und ein anderer wäre froh, wenn er sie hätte! Es gibt ja auch so tote Böden, wo gar keine sind. Da schüttelt man oft nur den Kopf, weil nicht hingeschaut wird, die Leute für die Natur so wenig Interesse zeigen. Es wird dann oft etwas bekämpft, nur weil man es nicht kennt. So eine Art Rundumschlag. Da hat einer was gehört und gleich ist dann alles schon eine Krankheit. Wie beim vermeintlichen Feuerbrand zum Beispiel. Aber der hat eine bestimmte Kennzeichnung. Und kaum war das bekannt geworden mit dem Feuerbrand, hatte plötzlich gleich jeder einen im Garten gehabt. Doch es ist natürlich ein Witz.“
R. S.: „Was die Birnbäume kriegen können?“
R. M.: „Nein, das ist der Birnengitterrost. Der hat sich spezialisiert, mit Wirtswechsel. Das ist aber auch ein interessantes Thema: Denn viele alte Sorten – mit dem Birnengitterrost, die juckt das gar nicht, wenn sie ihn bekommen. Wir haben auch solche, das ist zum Beispiel so bei der österreichischen Weinbirn´, die kriegt kaum einen Rost. Sie hat auch schon ganz andere Blätter, das ist eine uralte Sorte. Das wär´ halt das interessante, heut, wenn einer einen kleinen Garten hat, daß er sich die uralten Sorten wieder besorgt.“
R. S.: „Aber wo kriegt man die her?“
R. M.: „Dafür gibt es eigene Baumschulen.“
R. S.: „Das heißt, der Botanische Garten in München kann da Adressen herausgeben und Empfehlungen aussprechen?“
R. M.: „Ja, das machen wir schon. Also, wenn einer wirklich Interesse hat, dann geh´ ich in mein Büro, an meinen Schrank und sag: `Da, schaun´s a mal her. Fahren´s, da und dort hin. Wie zum Beispiel zum Brenninger (eine ökologisch wirtschaftende Baumschule bei Steinkirchen/ Anm. desHrsg.), und der hat dann diese und jene. In ganz Bayern haben wir regionale Sorten. Das geht in Feilnbach an zum Beispiel, da gibt es ein Obstbaumgebiet. Im Bayerischen Wald mit den Zwetschgen, in Franken mit den Kirschen, dann in Peißenberg gibt es Obstbauern, biologische Obstbauern. Die haben Obstsorten, die sind ein paar hundert Jahre alt. Die Äpfel schmecken einfach gut. Das sind kleine, rote, ganz fest. Und das sollte man eigentlich wieder machen. Aber da fehlt´s ganz wo anders, weil wir da oft die Beratung nicht mehr haben. Es gibt zwar Landratsämter und die haben einen Kreisfachberater, aber dieser ist mit so etwas dann überfordert. Es wird einfach für selbstverständlich genommen, daß wir sechs Apfelsorten essen und keine 600 mehr.“
R. S.: „Und was kann der Botanische Garten da leisten?“
R. M.: „Der Botanische Garten macht da sehr viel. Wir versuchen natürlich, daß wir selbst Lokalsorten besorgen. Und die bauen wir an, die sind da, die Äpfel. Und dann zeigen wir auch, wie sie wachsen und so weiter und wo sie herkommen. Wir haben vor allem Sorten aus der Dachauer Gegend, weil die vor der Haustür ist. Und viele Münchner haben im Dachauer Land, zum Beispiel in der Gärtnerei Flachslander, einer ganz Berühmten, traditionell ihre Äpfel geholt. Das weiß man auch. Der hat die alten Sorten gehabt und die Münchner haben da gerne eingekauft. Die Münchner sind ja auch für ganz gut kultivierte Schrebergärten bekannt.
Das ist ein interessantes Thema: Wenn man da so ab und zu angerufen wird von einem älteren Herren, und dann auch einmal hinfährt in einen solchen Garten – kann man mitunter erstaunliche Dinge entdecken, wie Pflanzen, die im Ersten Weltkrieg ausgesät wurden: Schwarzwurzeln, Chicoree. Ja, dafür hat es die Schrebergärten schließlich gegeben. Sonst wären ja noch mehr Leute verhungert. Die haben oft was drauf! Das muß ich wirklich sagen. Da sind schon ein paar Hobbygärtner dabei: Hut ab! Also wirklich.“
R. S.: „In den Berliner Hinterhöfen, so hab ich es zumindest in den 90er-Jahren erlebt, in Kreuzberg oder Charlottenburg beispielsweise, bauen viele, hauptsächlich türkische, Familien, ihr eigenes Gemüse an.“
R. M.: „Da haben die schon recht! Gerade die Türken sind ja keine schlechten Gärtner, wenn man da in Anatolien ins Hochland rauffährt und schaut da mal in die Gärten rein. Ich hab die Gaudi ja mal gemacht, bin ja auf meinen Reisen nirgends eigentlich ein Tourist und auch so neugierig und schau dann in die Gärten rein. Dann werden die natürlich aufmerksam. Und sobald die gemerkt haben, daß ich Deutsch kann, waren die ganz begeistert. Was die da alles anbauen, sind ganz alte Gemüsesorten, die es mittlerweile sonst nicht mehr gibt. Die sind verloren gegangen durch das sogenannte Feingemüse. So etwas findet man ja auch in Portugal. Die Kohlarten, die die da anbauen, werden bis zu drei Meter hoch und – den ganzen Winter über geerntet. Auch die Blätter. Einmal in der Woche gibt’s dann halt einfach das Kraut. Stammkohl. Das sind ganz alte Sorten. Der Kohl an sich stammt ja aus Europa, das ist eine europäische Gemüseart und Großkultur. Da gibt’s so viele Variationen und auch vom Geschmack her so viel Unterschiedliches. Und das bauen die da an, da geht dann die Oma in der Früh mit einer Schüssel raus und erntet die Blätter und kocht das dann. Das ist ein wunderbares Essen und die Leute haben eine gute Verdauung. G´sund sind´s ah. Und dabei ist auch interessant, was für kleine Gärten das sind, oft nur zehn auf zehn Meter, auf denen sie anbauen. Der Kohl bleibt über den Winter stehen und schattiert im Frühjahr gleich die anderen Gemüse, die ausgesät werden müssen, da sind wir schon bei der Mischkultur. Bei den Alten war das eine Kunst. Sie hatten ein unglaubliches Erfahrungswissen. In China wird das auch heute noch in Perfektion betrieben. Bei uns war das ebenfalls einmal hoch entwickelt, das kann man nachlesen. Doch heute findet man das nur noch in den sogenannten unterentwickelten Ländern. Ich war vor kurzem in Peru. Wie die das schön machen mit den Mischkulturen im kleinen Bereich … ! In Afrika genauso. Da können dann von ein paar Quadratmeter doch ein paar Leute leben. Dort gibt es immer etwas zu ernten. Aber eben nur standortgerechtes Gemüse. Von den sogenannten Entwicklungsländern könnten wir heute einiges lernen!
R. S.: „Es gibt so vieles, das man früher auch bei uns sehr genial angewandt hatte. Die Tiefkulturbeete zum Beispiel, die man nicht betritt und der Boden bleibt darin immer locker.“
R. M.: „Wenn Boden richtig bebaut wird, brauch ich ihn sowieso nicht beackern und umgraben! Das macht er von alleine. Es ist ohnehin nicht gut, wenn man das Untere nach oben kehrt. Das machen wir ja auch teilweise: Wenn der Boden verdichtet ist, dann ackert man halt wieder um. Deswegen wird der aber sicher nicht besser. Das ist aber immer so: Ein guter Gärtner ist ein fauler Gärtner. Er läßt die Natur für sich arbeiten. Dazu muß er die Natur aber auch verstehen.“
R. S.: „So ist es doch eigentlich mit allen Bereichen des Lebens: Genau hinschauen, zuhören, begreifen und nicht zu viel einmischen.“
Das ist ja das Schöne an unserem Beruf, Sie sind ja auch Landschaftsgärtner und kennen das: Die Pflanzen reden schon mit dir. Sie zeigen, was sie mögen und was nicht. Wenn man da ein bißchen aufpaßt, dann bringt man die schönsten Sachen zusammen. Sonst hätten wir auch nicht so eine Vielfalt – ebenso mit den Gewächshäusern. Die sind für Europa einmalig, die wir da in München im Botanischen Garten haben.“
R. S.: „In welcher Art arbeitet ihr mit Gärtnereien wie der Blumenschule in Schongau zusammen, die eine Vielzahl alter Sorten anbieten?“
R. M.: „Mei, die sind ja irgendwie entstanden nach dem Botanischen Garten, der schließlich schon alt ist. Dort kommt es dann immer sehr auf die Personen an, inwieweit man solche Kontakte pflegt. Der Chef, zum Beispiel in der Blumenschule, interessiert sich einfach.
Doch allgemein gesprochen, müssen Gärtnereien an besondere Pflanzensortimente erst einmal gelangen, damit sie überhaupt mit Anzucht und Vermehrung beginnen können. Und in der Regel ist dann dieses Genzentrum, Genzentrum in Anführungszeichen, der Botanische Garten. Manchmal wird es da gestohlen oder es wird ganz offiziell bestellt. Das kann man auch machen. Aber dies ist nicht so einfach, da wir dem Washingtoner Abkommen unterliegen. Wir können ja nicht so einfach von den Peruanern da, das ganze Zeug verhökern.“
R. S.: „Was besagt das Washingtoner Abkommen?“
R. M.: „Es sagt aus, daß wir ihre Genressourcen nicht einfach vermarkten dürfen. Darauf stünden ganz saftige Strafen. Und das steht auch in jedem Katalog drinnen.“
R. S.: „Ah, und es gibt Lizenzgebühren wahrscheinlich?“
R. M.: „Unter den Botanischen Gärten tauscht man sich aus. Das ist kein Problem. Dies sind aber geringste Mengen an Samen. Da kann es passieren, daß von einer Gattung dann drei Kerndl drin sind und drei sind nicht viel. Zwei Kerndl gehen kaputt und eines kommt durch – so etwas kann vorkommen. Und daß man das nicht in den Verkehr bringt und keine große Geschichte draus macht, ist klar. Aber Lizenzen gibt’s durchaus. Damit hatten wir auch schon einigen Zirkus gehabt. Jemand hat mal Zierpflanzen aus Venezuela mitgebracht, also von einem Garten heraus – mit riesigen blauen Blüten. Und die haben wir dann natürlich ausgestellt. Und auf einmal kommt eine holländische Firma und sagt, daß das ihre Pflanze sei, weil sie die auf den Markt gebracht – und wo wir die jetzt her hätten. Daraufhin hab´ ich gefragt, wo sie die denn her haben, den Spieß einfach umgedreht. Und dann sind wir drauf gekommen, daß uns diese Pflanz einmal geklaut worden war. Daraus haben die dann ihre Stecklinge gemacht. Du kommst ja immer wieder dahinter!“
R. S.: „Und die vermarkten sie jetzt als Zierpflanze?“
R. M.: „Die verkaufen das als Zierpflanze – sündteuer. Tibouchina kostet ja einen Haufen Geld…“
R. S.: „Wie heißt die Pflanze?“
R. M.: „Tibouchina. Das ist so eine mit großen, blauen Blüten. So ein richtiges samtiges Blau. Ganz was Schönes. Und die halten auch so einiges aus, weil die teilweise im Hochland vorkommen.“
Der alte Gärtner, der Schacht, hatte den Samenversand bei uns gemacht. Der sagte selbst: Wir sind die Melkkuh Europas. Die Sammlung ist faszinierend! Weil man eigentlich jeden Tag, fast 365 Tage, etwas Neues entdeckt. Das geht nicht aus. Auch Veränderungen zeigen sich. Dann blüht vielleicht etwas, das 20 Jahre nicht geblüht hat. Das ist dann schon enorm.“
Auch unser Arboretum ist ganz interessant, die Sammlung von Bäumen hier – doch ist diese nicht groß. Für eine g´scheite Baumsammlung bräuchte ich mindestens die Fläche von Luxemburg. Das wär´ halt was. Da könnte man dann sehr, sehr viel machen. Was wir da haben, ist ja eigentlich lachhaft. Da sind natürlich schon ein paar Raritäten dabei. Aber oft ist dann der Untergrund wieder nicht danach. Die Erde ist einmal aufgefüllt worden.
R. S.: „Das heißt im Klartext, für die unterschiedlichen Baumarten müßte man immer je nach deren Bereichen, das für sie optimale Erdreich aufschütten.“
R. M.: „Ja, eigentlich gehört mit ´nem Caterpillar durchgefahren, danach aufgeschüttet mit Kies, Steinen und so weiter. Da gehörte ein bißchen Bewegung rein. Doch dieses Arboretum ist für Süddeutschland gar nicht mal so schlecht. Aber ich finde es schade, daß wir kein Nationalarboretum haben, wie zum Beispiel die Amerikaner. Oder die einzelnen Bundesstaaten, daß jeder für sich ein eigenes Arboretum hat.“
R. S.: „Das ist aber komisch. Warum ist das nie so angeregt worden?“
R. M.: „Weiß ich nicht. Da braucht man eben auch eine große Fläche. Am besten wäre es für Bayern in Richtung Landshut, wo das Hügelland losgeht, diese Moränen von den Eiszeitgletschern sind – und auch guter Lößboden vorhanden ist, ebenso aber auch wieder Sand und Kies, wo sich gut mit Steinen arbeiten läßt, für richtig alpine Sachen. Das wär` natürlich ein großartiges Genzentrum, auf das man zugreifen könnte.“
R. S.: „Ich glaub in Norwegen, da gibt’s doch jetzt eine riesige Samenbank, irgendwo im Berg drin.“
R. M.: „Ja, in Spitzbergen. Die gibt’s jedoch nicht nur dort. Solche Sammlungen haben wir auch in der Türkei und in Portugal.“
R. S.: „Ich habe gehört, die seien gesichert wie nationale Goldreserven.“
R. M.: „Ja, das muß auch so sein. Herr Sartori, wir leben schließlich von den pflanzlichen Ressourcen! Das ist mehr wert als alles andere. Das und unser Wasser. Ohne Letzteres geht gar nichts. Sauberes und gutes Trink-Wasser wird ja weltweit immer knapper. Und auch bei uns wird es noch viel zu sehr verschwendet, nicht zuletzt, wenn man sich mal anschaut, was so in unsere Gärten reinplätschert! Soviel bräucht´ es gar nicht.“
R. S.: „Es würde doch genügen, wenn man erst gießt, bevor alles gelb und braun wird. Oder lediglich frisch angelegte Pflanzungen, etwas intensiver.“
R. M.: „Ja genau, wenn die Pflanzen anfangen, schlapp zu werden. Und auch reiner Rasen zum Beispiel, verbraucht sehr viel Wasser. Bei einer Wiese verdunstet hingegen nur ein Fünftel von dem, was bei einem Rasen verbraucht wird. Die Mischung gibt hier den Ausschlag. Weil die Wiesenpflanzen unterschiedliche Wurzeln haben. Und dann sind da breite und schmale Blätter, die schmalen Blätter schattieren die breiten. Und so geht das. Je mehr Pflanzenarten ich pro Quadratmeter habe, desto weniger Wasser wird dort verbraucht.“
R. S.: „Also, das ist dann viel effektiver – auch wieder eine Art von Mischkultur?“
R. M.: „Eine Wies´n ist ja genau das. Und in Oberbayern haben -, oder hatten wir ja ganz tolle Wiesen. Also mit Primeln drinnen, Enzian, Lichtnelken und weiß Gott was. Und das kommt ganz drauf an, wo sie gestanden sind. Ein Nordhang schaut ganz anders aus als ein Süd- oder Westhang.“
R. S.: „Eines muß aber noch zu Eurem Arboretum gesagt werden: Auch wenn Sie immer wieder betonen, daß es sich hierbei um eine Sammlung – und nicht etwa um eine Parklandschaft handelt, so stellt es sich den Besuchern mit seinen beeindruckend gewachsenen alten Bäumen in den unglaublich artenreichen Wiesenflächen, dennoch von so großer poetisch Schönheit dar, daß dagegen manche Parks eher blaß – und wie städtische Grünanlagen aussehen.
Doch noch einmal kurz zurück zum Thema Wasser – ihr habt jetzt auch ein neues Bewässerungssystem mit der Zisterne?“
R. M.: „Ja, die sammelt das Regenwasser vom Institutsdach und auch von den vielen anderen Dächern auf unserem Gelände. Das lassen wir nicht mehr in den Kanal ablaufen, sondern behalten es, gießen damit. Das ist noch ein bißchen besser als unser Leitungswasser. Das Münchner Trinkwasser ist zwar schon sagenhaft gut, bloß ein paar Pflanzen von uns, die mögen das nicht.“
R. S.: „Zu kalkhaltig?“
R. M.: „Ja und deshalb nehmen wir gleich das Regenwasser. Ich hoffe, daß unsere wunderbare Zisterne bald mal in den Plan eingezeichnet wird, damit die Leute auch verstehen, was wir da gebaut haben.“
R. S.: „Man sieht nicht viel von ihr, schließlich wird ja das Regenwasser unterirdisch gesammelt.“
R. M.: „Das ist wirklich sehr interessant, auch was da an Geld reingepumpt wurde. Aber das rentiert sich bald, weil es für das Regenwasser keine Abwassergebühren mehr geben wird. Trinkwasser brauchen wir sowieso nicht viel, weil wir Gieswasser aus dem Schloßkanal beziehen. Ein sehr durchdachtes System, das unsere Vorgänger uns da hinterlassen haben.“
R. S.: „Wer waren die denn?“
R. M.: „Goebel war Direktor, der das Ganze inszeniert hat. Angelegt wurde es von seinem Gartenbauingenieur, dem Holfelder.“
R. S. Wieviel Wasser könnte doch gespart werden, wenn Gartenbesitzer das Regenwasser vom Hausdach in einen Gartenteich leiten würden, um es dort zum Gießen zu sammeln.
Wirklich bedauerlich, daß Sie demnächst in den sogenannten Ruhestand gehen werden, sicher eine denkbar unpassende Formulierung für einen Gärtner wie Sie es sind. Ich bedanke mich für dieses Gespräch und vor allem auch für die sehr unterstützende und oft unkonventionelle Zusammenarbeit bei Veranstaltungen und den unterschiedlichsten „Kunst-im-Garten“-Aktionen des „Nymphenspiegel Kultur Forums“ und wünsche Ihnen weiterhin alles Gute.
Rudolf Müller, Ralf Sartori
Anmerkungen und Fußnoten zum Interview:
- Der Neue Botanische Garten, von dem hier die Rede ist, schließt nördlich an den Nymphenburger Park mit einer Fläche von ca. 22 Hektar an. Er gehört heute zu den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns. 1809 wurde der Botanische Garten in München erstmalig gegründet, nach einem Entwurf von Friedlich Ludwig von Sckell. Die Überbleibsel dieser Anlage werden heute als Alter Botanischer Garten bezeichnet und befinden sich in der Innenstadt, nähe des Karlsplatzes. Den Neuen Botanischen Garten legte man 1914, aufgrund des städtischen Wachstums und der dadurch bedingten Luftverschmutzung, vor den damaligen Toren Münchens in Nymphenburg an. Auf Initiative von Karl Ritter von Goebel, der zugleich auch erster Direktor des Botanischen Gartens in Nymphenburg wurde, plante dieser ihn zusammen mit dem Gartenarchitekten Holfelder. Seit 1966 werden der Neue Botanische Garten, die sich auf gleichem Gelände befindliche Botanische Staatssammlung sowie das Institut für Systematische Botanik der Ludwigs-Maximilians-Universität in Personalunion geleitet. Die derzeitige Direktorin ist Prof. Dr. Susanne Renner.
- Am 17. April 1996 erhielt Wilhelm Schacht aus den Händen von Bettina von Siemens die Ernst von Siemens-Medaille. Die Medaille wurde von der Gesellschaft der Freunde des Botanischen Gartens München zum Andenken an Ernst von Siemens geschaffen. Sie wird jährlich für Verdienste um den Botanischen Garten München verliehen. Wilhelm Schacht übernahm 1947 die Leitung der Freiland-Abteilung, zu der auch der Alpengarten auf dem Schachen gehört. Dank seiner Sammelleidenschaft und der Beziehungen in die ganze Welt wurden in seiner Amtszeit die Pflanzenbestände erheblich erweitert. Neben den Alpinen galt seine große Liebe auch den Zwiebel- und Knollepflanzen, die in dem von ihm mit Unterstützung der Gesellschaft der Freunde geschaffenen Frühlingsgarten Einzug gehalten haben. Ernst von Siemens, ein excellenter Pflanzenkenner und Wilhelm Schacht verband eine langjährige Gartenfreundschaft. Beide gelten als Initiatoren für die Gründung der Gesellschaft der Freunde am 25. November 1955.
- Meine Recherche, ob wir in Deutschland doch zumindest einige größere Arboreta besitzen, ergab folgendes: Das heute flächenmäßig größte, forstwissenschaftlich betriebene Arboretum Deutschlands befindet sich im Staatsforst Burgholz auf dem Stadtgebiet von Wuppertal, NRW. Dort werden auf etwa. 250 Hektar Gehölze aus drei Kontinenten auf ihr Wachstumsverhalten in der mitteleuropäischen Klimazone untersucht. Und in Bad Grund, am Rande des Harzes, betreibt das Land Niedersachsen seit 1975 auf etwa 100 Hektar eine Versuchsanlage mit ungefähr 600 herkunftsgesicherten Gehölzarten, um ihre Wachstumseigenschaften zu beobachten. Auch dieses Arboretum ist öffentlich zugänglich und insbesondere im Herbst durch die intensive Laubfärbung eine Touristenattraktion.
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