Nymphenburger Schlosspark

Alles über den Nymphenburger Schlosspark in den Bänden der Reihe Nymphenspiegel

 

Wie die Nymphen zu ihrem Garten kamen

Auszug aus Band I des Nymphenspiegel, aus dem Artikel „Zur Geschichte des Nymphenburger Schloßparks“, Von Walther Habersetzer 

Als am 11. 7. 1662 die Kurfürstin Adelheid Henriette Maria, Tochter des Herzogs Victor Amadeus I. von Savoyen, nach acht Jahren kinderloser Ehe mit ihrem Gemahl Ferdinand Maria, einen Sohn gebar, fühlte sich der glückliche Vater, anläßlich dieser Geburt, des Kurprinzen Max Emanuels, bewogen, seiner Gattin ein großes Grundstück, westlich von München gelegen, zu schenken. Darauf sollte sie sich ihren Wunsch nach einem Lustschloß erfüllen.

In dem vortrefflich recherchierten und mit zahlreichen alten Postkartenbildern, – Photographien und – Stichen illustrierten, mit Zeitungsausschnitten, Protokollen und Statistiken gefüllten Buch „Nymphenburg“ – 100 Jahre Münchner Ausflugsort und Vergnügungsviertel“, der Geschichtswerkstatt Neuhausen e.V. erfahren wir dazu folgendes: „Die völlig verwilderte Hofmark – die Schweden hatten sie zerstört und verbrannt – mit dem alten Flurnamen `Kemnaten´, hatte Johann Georg Gassner (später kurfürstlicher Rat) 1646 für 8.000 Fiorin (Gulden; fl.) erworben; für Gebäude, Stallungen, Brunnen, Backofen und Badhaus investierte er nochmals 5.300 fl.. Er stirbt 1660 allzu früh und hinterläßt als Erben seinen minderjährigen Sohn Peter. Diese Umstände zwingen eher zu einem Verkauf und Kurfürst Ferdinand Maria nützt die günstige Gelegenheit. Die Kaufverhandlungen (…) führt der Münchner Stadtoberrichter Jakob Friedrich Hörl; der Hofgerichtsadvokat Dr. Wolf Millauer vertritt als Vormund den minderjährigen Erben Peter Johann Gaßner. Nachweislich hat …“ dessen Vater „ein verkommenes Gebiet zu einer blühenden Hofmark gemacht (der jährliche Ertrag lag bei 2.000 fl.). Allein  für Ankauf und Investitionen bezahlte er 13.300 fl.. Der Kaufvertrag für Kurfürst Ferdinand Maria wird am 1. Juli 1663 in Höhe von 12.000 fl. abgeschlossen. Dabei sind“ (auch) „die Zahlungsbedingungen äußerst günstig: Ferdinand Maria muß bar nur 2.000 fl. auszahlen; für 8.000 fl. vereinbart er einen Zins von 5 %; weitere 2.000 fl. kann er einbehalten, da er die Gaßnersche Benefizstiftung übernimt, aus der später das Magdalenenfest hervorgeht.

Zur Abrundung der Grundstücksfläche kauft Ferdinand Maria am 26. 6. 1663 noch 61, 5 Tagwerk Wiesengrund vom Hof Hartmannshofen für 1.260 fl..

Am 1. 7. 1663 überreicht der Kurfürst seiner Ehefrau den Schenkungsbrief und die Kurfürstin konnte mit der Verwirklichung ihrer Pläne beginnen.“

„ … Diese Schenkung machte die Kurfürstin zur persönlichen Eigentümerin. In der ersten Bauphase geht es also streng gesehen nicht um Wittelsbacher Besitz, der zur Entfaltung kommen soll, sondern Adelheid weiß sich als Besitzerin der Nutzflächen, für Schwaiggebäude, Lustgarten und die Schloßbauten. Die Eigentümerposition wurde noch dadurch gestärkt, daß Adelheid eine große Mitgift in Höhe von 200.000 Scudi mit in die Ehe brachte. Zudem hatte sie ein beträchtliches eigenes Einkommen aus bayrischen Staatsgeldern.“ Diese Bedingungen schenken ihr eine gewisse Unabhängigkeit, ihre eigenen Vorstellungen hinsichtlich eines Schloßgrundbesitz, im Einklang mit den Traditionen der Familie, welcher sie entstammte, zu verwirklichen.

„In der Vorstellungswelt der Savoyer sind repräsentatives Gebäude und das dazugehörige landwirtschaftliche Gut zwei Größen, die einander zugeordnet sind und – bedingen. Beide zusammen drücken erst aus, daß hier legitime herrschaftliche Macht ausgeübt wird, die verbunden ist mit gelebter Verantwortung gegenüber Grund und Boden.

Welcher Art die Herrschaftsidee und die Verantwortung gegenüber der Natur ist, drücken die Savoyer in dem mythischen Bild der Nymphe aus, überliefert in einer Sage, die erzählt, daß der erste Graf, Pierre von Savoyen, von einer Nymphe den Herrschaftsring für sein Landgut erhält. Das will sagen, daß die Nymphen als eigentliche Herrscher(innen) und Behüter(innen) des Landes, als Garant(inn)en der Fruchtbarkeit, mit der Übergabe des Ringes ihre Macht und Zuständigkeit“ (nur treuhänderisch) „an den Grafen übergeben; der Ring ist gleichsam Symbol dafür, daß das Landgut“ (von den Geistwesen der Natur) als Lehen übernommen wird.

Mit dem Namen `Nymphenburg´ drückt also Kurfürstin Adelheid in der Tradition ihrer savoyischen Familie aus, wie sie sich als Eigentümerin ihres Schloßgutes versteht, worin ihre Herrschaft begründet liegt. Durch die Gunst der Nymphen wurde ihr das Landgut als Lehen übergeben; hierin liegt der Segen für die rechtmäßig ausgeübte Herrschaft; hierin liegt der Segen für eine verantwortlich gelebte Nutzung und Pflege der Natur.

Der Name `Nymphenburg´ ist also nicht aus einer romantischen Gedankenspielerei entstanden, sondern der Name war für Adelheide Auftrag und Verpflichtung.“

 

 

Nymphenburg – Welt zwischen den Welten

von Stefan Brönnle – in voller Länge in Band I der Reihe Nymphenspiegel 

Nordwestlich vom Stadtkern Münchens liegt in einer ehemals vom Wasser beherrschten Landschaft ein Raum, wo das Rationale und das Irrationale, der Verstand und der Traum sich begegnen. Dort liegt eine Sphäre, die ebenso nebulös-wachtraumartig ist wie die Landschaft, in der sie sich einst befand: Nymphenburg.

Die Nymphen, jene wasserliebenden Geschöpfe des Gefühls, gaben dem Schloß und dem dazugehörigen Park seinen Namen.

Das Schloß entstand in einer Zeit als eben jene Welt des Gefühls, die uns in der mythischen Schau des Mittelalters ebenso begegnet wie in seinem Aberglauben, durch die Welt des Verstandes, des intellektuellen Erfassens, ersetzt wurde…. oder man dies zu mindest annahm.

1664 – die Zeit der Aufklärung, die Zeit aber auch, in der ein Königtum von Gottes Gnaden, eine unmittelbare Brücke der Welt zu Gott, ebenso zum Weltbild gehörte wie die Technologie neuer Waffen, die Stadtmauern überflüssig machten und so der Unendlichkeit in der Landschaft erneut Raum schufen. “Unendlicher Raum hat unendliche Möglichkeiten, und in dieser unendlichen Möglichkeit können wir einen unendlichen Akt der Existenz preisen”, schrieb Giordano Bruno.

In der Gartenkunst werden so in dieser Zeit auch die Mauern mittelalterlicher Klostergärten gesprengt und geben den in die Unendlichkeit laufenden Achsen des Barock Raum. Und all diese Achsen entspringen der Sonne gleich einer Quelle – dem absolutistischen Herrschaftsschloß.

Wir befinden uns aber auch in einer Zeit, in der die Traditionen der Bauhüttengeheimnisse, die in der Gotik gewirkt hatten und die großen Kathedralen entstehen ließen, zwar im Verschwinden aber nach wie vor präsent waren. Der Ort, an dem eine Kirche oder ein Schloß errichtet wurden, war nach wie vor maßgeblich für die atmosphärische Wirksamkeit. Es wurde, wenn auch verborgen, eine Tradition gepflegt, die heute unter dem Namen “Geomantie” bekannt ist.

 Geomanti

Die Geomantie ist eine ganzheitliche Erfahrungswissenschaft. Sie versucht die geistige, seelische und energetische Identität eines Ortes zu erfassen und diese bei Gestaltungen in Architektur, Kunst oder Landschaftsplanung zu berücksichtigen. Das Wort Geomantie setzt sich zusammen aus zwei Wortteilen:

“Geo”, was, wie Sie sicher wissen, “Erde” bedeutet und “Mantik”. Die Mantiken waren frühe, bei den Etruskern bekannte, Schau- und Interpretationskünste, so genannte Divinationstechniken, durch welche man mittels der Deutung der Farbe und Form von Blitzen, des Vogelflugs oder auch der Eingeweideschau den Willen der Götter oder Geister erkunden wollte. Salopp könnte man daher die Geomantie mit “Erdwahrsagung” übersetzen.

Doch es ist viel mehr. Es ist eine Sprache oder vielmehr die Kunstfertigkeit der Übersetzung der Sprache der Erde. Ein chinesisches Sprichwort aus dem 2. Jh.v. Chr. sagt: “Könnten Berge und Meere sprechen, wären die Geomanten viel magerer.” Berge und Meere können sprechen, nur haben die meisten Menschen verlernt zuzuhören.

“Geo” leitet sich ab von der Urgöttin Gaea oder Gaia – der Großen Mutter Erde. Geomanten waren und sind somit Menschen, die die Sprache dieser Göttin verstanden und verstehen. In einer solchen Definition tritt uns die Erde nicht als toter Himmelskörper entgegen, sondern als lebendiges Wesen. Sie ist ein göttliches Wesen, das ebenso belebt ist wie die Pflanzen, die Tiere oder die Menschen, die auf ihr leben. Im 17. Jahrhundert, der Zeit also, in der Nymphenburg gegründet wurde, beobachtete der italienische Physiker und Mathematiker Evangelista Torricelli, daß der Luftdruck in regelmäßigen Abständen zu schwanken schien. Er hatte gegen 3 Uhr morgens seinen Tiefstand, erreichte gegen 9 Uhr seinen Höchststand, um bis um 15 Uhr wieder auf den Tiefstand zu fallen. Diese “atmosphärischen Gezeiten” genannten regelmäßigen Luftdruckwellen inspirierten Goethe zu dem Vergleich mit der Ein- und Ausatmung der Erde. Und wie bei einem Menschen hebt und senkt sich der Leib der Großen Göttin: Wie Satellitenmessungen ergaben, heben und senken sich die Kontinentalplatten um ca. 80 cm! Diese und andere Tatsachen veranlassten James Lovelock zu seiner Gaia-Hypothese: Die Erde ist ein Lebewesen! So hat der Erdkörper Regelmechanismen, die denen der Tiere und Menschen entsprechen.

Die Techniken und Absichten der Geomantie waren dabei in den verschiedensten Kulturen und Zeiten nicht immer gleich. Sie wechselten mit der Entwicklung und der Weltsicht der Menschen. Einige historische geomantische Systeme wie das chinesische Feng Shui oder das indische Vastu sind bis heute bekannt.

Auch im Park von Nymphenburg treffen in seiner heutigen Gestalt zwei Weltsichten zusammen: Die Transzendenz des Göttlichen und die Immanenz des Göttlichen.

Die Transzendenz

Im Barock war man darum bemüht, das Göttliche, das man als jenseitig, als transzendent betrachtete, durch die Gestaltungen in Raum und Zeit zu fixieren und damit auf die Erde zu bannen. Man war der Ansicht, Gott habe die Welt mit Absicht unvollkommen geschaffen, damit der Mensch sie vervollkommne. Das vollkommen Göttliche fand über Zahl, Proportion und Geometrie seinen Weg in die Gartengestaltung: Der ideale See war kreisrund, Bäume kugelförmig oder pyramidal, Wege schnurgerade. Antik-mythologische Statuen gaben diesem perfekt geometrischen Raum einen Sinnbezug.

Das Schloß Nymphenburg sitzt im Zentrum derartiger linearer Achsenbezüge, so daß nicht weniger als neunzehn Sakralbauten auf diese Weise mit dem Schloßpark verbunden sind und es in ein sakrales Landschaftsgewebe einfügen: (… in voller änge und mit umfangreichen Bildmaterial in Band I der Reihe Nymphenspiegel)

 

 

Mein Schloßpark, Nymphenburg

 von Erika Hertel, aus Band I der Reihe Nymphenspiegel

Was soll das nur werden, über Dich zu schreiben ?

Es kann wohl nichts anderes sein, als eine Liebeserklärung.

Eine dankbare Aneinanderreihung von assoziierten Bildern- schönen, bunten – eingebettet in Stimmungen.

Ich kenne Dich – oder kennst eher Du mich: meine Gefühle, Gedanken, derer ich fähig war in den vielen Jahren Deiner, meiner Treue?

Deiner ruhigen Treue, meiner unsteten, zerrissenen, aber auch andauernden Treue.

Immer bin ich zu Dir gegangen.

Ich bin herumspaziert in Dir. Ich bin geschlendert.,gelaufen mit globigen Turnschuhen, wie es sich gehört für Jogger, Läufer.

Ich bin gegangen mit hübschen Stadt-und Stöckelschuhen, mit Latschsandalen, mit dicken Stiefeln . Im Frühling, im heißen Sommer, im schneeweißen Winter.

Im Regen mit und ohne Schirm, im Wind, Sturm, die fallenden Äste vermeidend, flüchtend,  auch die Gefahr genießend.

Ich bin Schlittschuh gelaufen auf dem Eis.

Und ich sehe Bilder, Bilder, Bilder.

Es sind nun vierunddreißig Jahre vergangen.

Als junge, fröhliche Frau, erfolgreich, frisch verheiratet, verliebt, zog ich in Deine Nähe.

Von da an wurde unser Bündnis geschlossen.

 Händchenhaltend haben wir, mein Mann und ich, die Sonne genossen, in den Augen, auf der Nase, die Wärme , Dein Grün, Deine Bäume, das Laub. Und uns beide in Dir – noch sehr aufeinander bezogen – zuhause gefühlt.

Wir sind im Gras gesessen, haben uns gekugelt, Zärtlichkeiten getauscht. Frei waren wir da. Ohne Mauern, ohne Zäune, ohne Grenzen.

Und als die Tochter sich ankündigte, damals noch unbekannt, bin ich zu Dir gelaufen, glücklich, strahlend, Schwester der großen Mutterschwäne .Und sie , die kleine Tochter, sah ich in den kleinen grauen Schwänen, eingebettet in die Ganzheit der Natur. Wie in dem Märchen wünschte ich Wandel, Schönheit für sie.

In jedes Wasser hätte ich am liebsten hineingebissen vor Lust, hineinhüpfen mögen : in das plätschernde Rinnsaal, durchsichtig und klar, in die Kanäle, wenn ich auf der Brücke stand,

hineinspuckend wie ein Kind, lachend, wenn die Enten angeschwommen kamen, und dann lief ich auf die gegenüberliegende Seite der Brücke, um nach den Spuckenresten zu sehen, und ob ich die Enten “tratzen” konnte.

Ich wollte viel Gesundheit, viel Luft, viel Freiheit, viel Zeit für mein geliebtes Kind.

Als es dann da war, ging es los mit dem Kinderwagen, natürlich zu Dir. Zum See, zu den Seen, um den See, den großen, den kleinen, zum Sitzen , auf den “Rentnerbankerln “ in der Sonne .

zum Lesen, zum Nachdenken, zum Arbeiten.

Damals konnte man sich im Winter noch aufwärmen in dem Gewächshaus, wo sich einige  

Frierende eingefunden hatten, die Pause machten, oder gar obdachlos waren.

Als sie größer war, die kleine Tochter, lief sie tapsend umher, immer gemahnt, nicht in die Blumen zu treten, keine Blumen zu rupfen, aber auch geborgen ohne Gefahren, im Gras kugelnd, Purzelbäume , Handstände machend.

Und später, Schlitten fahrend, das “Aha-Bergerl” hinunter. Eifrig stapfend zog sie den Schlitten hinauf – ich wartete am “ Pilz”,  spornte sie an, freute mich über ihre Fröhlichkeit, die Ausdauer, die roten Backen und glänzenden Augen. Manchmal wurde es kalt beim Stehen, und ich sehnte mich nach einem heißen Tee.

Zu jeder Jahreszeit gab es die unvermeidliche Bäumebesteigung, manchmal ein wenig quälend für mich, da ich Furcht hatte vor einem Sturz. Tapfer schaute ich weg, um ihre Krabbellust,

das Steige- und Krabbellernen nicht zu behindern.

Das war eine heitere Zeit:  das Lachen des Kindes, der Freundinnen und Freunde, mein Lachen, Schneebälle, Schneemänner, Sommerkränze aus Gänseblümchen, Stricken auf einer Bank, Zusehen beim kiloweise Sammeln von Kastanien, Steinchenwerfen in den Kanal, von der Brücke, Nachlaufen, Hinlaufen zu den Enten, den Gänsen, Anschauen der großen Karpfen, die irgendwie archaisch wirkend ihre Schwimmkreise- oder Wege zogen, düster, ein wenig unheimlich, alt und ruhig.

Dann Herbst. Wenn es dunkel wurde, man klatschte, flogen sie auf die unendlich vielen schwarzen Krähen, mit Gekreische, in Gruppen, in Scharen . Sie gemahnten ein wenig an Untergang.

Wir haben die Tiere entdeckt. Zunehmend interessierter, die kleine Tochter und ich.

Auch die zwei Eulen fanden wir ; ein Besuch bei der einen, an der Brücke, nahe der Badenburg, war obligatorisch. Enttäuschung, wenn sie nicht zuhause war. Wir dachten uns aus , was sie wohl machte in der Zwischenzeit.

Mein Park – unser Park. Laufen, Fangen, Verstecken, Ruhen, Schlafen. Und Schauen, Schauen, Schauen: Auf Bäume, Lichter, Blumen, wechselnde und ständig- gleiche. Auf das Glitzern des Sees. Die weißen, ruhigen Schwäne.

Im Frühjahr jedoch ist es nicht still. Die Tiere sind unruhig, gereizt, verfolgen sich, ereifern sich, stoßen Geräusche aus, kämpfen um Raum, Partner, Macht.

“Wie die Menschen” ,das habe ich oft gedacht.

So ist es auch gekommen, daß Du, lieber Park mich kennst, mein Lachen, meine Ströme von Tränen.

Ich bin benommen gelaufen durch Dich, gestolpert mehr, zu der Zeit der Lüge, der Untreue, des Verrats. Ich habe die Bäume umarmt, vor Sehnsucht und Schmerz, die Härte der Rinde genossen. Ich bin auf dem Boden gelegen, mit den Händen die Erde durchwühlend, ich habe alles um mich geworfen.

Was warst Du mir da? Wer warst Du mir da ,mein Park ?

Ein Platz, wo ich sein konnte, wie ich war: verloren, am Ende, voll Haß, todesnah.

Dein Leben ging weiter, Deine Jahrezeiten, wie auch das meine in Jahreswellen, und unmerklich warst Du mir Ort, Halt, Frieden.

Und Deine Schönheit.

Was wäre ich, was wäre mein Leben ohne diese Tausend Bilder von Dir ?

Das flirrende Licht , Streifen am Morgen. Der Glanz auf dem Wasser . Das Glitzern des Sees.

Das Wiegen der Gräser, das Rascheln der Blätter. Die hübschen “Burgen”. Das stolze, harmonische Schloß. Die Größe und Weite. Die tosenden, schillernden Wasserarkaden.

Die Wege, die hellen, die schattigen, kühlenden.

Freizeitbeschäftigung – Gestaltung – Gesundheitsbrunnen – Auftankort – Sportgelände – Seelentröster – Kummerkasten.

All dies bist Du mir geworden, immer neue Facetten zeigend, Deines Wandels, Deines Wachstums, Deiner Veränderung, Deiner Beharrung.

Die Zeit mit Dir, in Dir ist Dauer und Wandel.

Leben, Bewegung, Stille und Einkehr, Ernst und Selbstverständlichkeit.

Du bist ein Teil von mir, wie ich Deine ständige Besucherin bin. Nie werde ich Dich ganz kennen, da Du Dich ständig erneuerst, anders bist , Deine Bewohner wechselst, sie sterben und wachsen läßt.

Nun bin ich älter geworden.

Meine Treue zu Dir ist gewiß. Man müßte mich gewaltsam trennen von Dir. Und wenn ich noch könnte, würde ich zu Dir fahren, laufen, so oft mir dies möglich ist.

Weil es nämlich einfach wahr ist ,

daß ich dich liebe.

 

 

Monopteros-Monolog: Über das Spazierengehen (im Schloßpark Nymphenburg)

von Ute Seebauer/ aus Band I der Reihe Nymphenspiegel 

Der Monopteros lädt nicht nur besonders zur Muße ein, weil er mit einem der reizvollsten Durchblicke des Nymphenburger Parks, über den baumumkränzten See auf die exquisite Badenburg, fesselt. Er kann als Denkmal, das schließlich zum Gedenken auffordert, noch besonderen Anstoß geben zu gewissem „Durchblicken-Wollen“. Zum Beispiel – warum nicht, in einem Park, der schließlich dazu da ist – mit einigen, wenn auch nur aphoristisch-unvollständigen, Überlegungen zum Thema Spazierengehen.

Schließlich hat König Ludwig I. 1865 mit seiner Inschrift an diesem neugebauten Tempel angeregt, hier die Gestalter des Parks zu würdigen: Kurfürst Max Emanuel, der aus dem zierlichen Renaissancegarten seiner Mutter Adelaide einen der prunkvollsten Barockgärten Europas im französischen Stil à la Versailles schuf. Und den Umgestalter König Max I. Joseph, Ludwigs Vater, der den Park durch Sckell im englischen, natur- und „bürgernäheren“ Stil umformen und zu einer vollendeten Synthese führen ließ. Eine königlichbayerische Würdigung des steten Wandels also hier am Monopteros, wobei der ja seinerseits auch ein Verwandelter ist: denn Sckell hatte im ersten Anlauf gut über fünfzig Jahre zuvor ursprünglich an dieser Stelle für Apollo einen Tempel in Holz errichtet. (Weshalb es auf dem amtlichen Wegweisungsschild in Weißblau derzeit volksnah-lapidar „Zum Apollo“ heißt. Wenn das nicht eine Extra-Aufforderung an alle musisch Werktätigen ist, sich dort inspirieren zu lassen!) Stete Veränderungen also, sowohl was die Historie des Parks betrifft wie selbstverständlich auch dieses Thema – den Wandel des Wandelns.

Man könnte, wie es Tradition ist, versuchen, eingangs bis mindestens auf die alten Griechen zurückzugehen, wo Aristoteles in der Wandelhalle auf und ab schreitend seine Schüler Philosophie lehrte. Denn offenbar ist die Erkenntnis, daß die körperliche Bewegung den Geist fördert, sehr alt. Wenn man aber das Wandeln zu Lehr- und Lernzwecken der mit Grund als Peripatetiker bezeichneten Weisen nur als Spezialfall und „Vor-Läufer“ behandelt, dann hat man den eigentlichen Ursprung des Spazierengehens im „Lustwandeln“ in Parks und Gärten der Barockzeit zu suchen.

Natürlich brauchte man Zeit für die Lust. Wer sich im harten Broterwerb körperlich verausgaben mußte, hatte weder Zeit noch Lust spazierenzugehen. Aber die Aristokraten und Hocharistokraten hatten davon meist übergenug, sie suchten „Zeit-Vertreib“ aller Art. Zumindest, wenn nicht gerade Kriegszüge anstanden.

Luxuriös, sinn- und trickreich waren die barocken Schloßparks, Nymphenburg voran, ausgestattet, um sich mit Lust zu ergehen: Prächtige Alleen, den vornehm-blaßen Teint der Damen beschattend, die Kieswege breit genug, um die Roben und Reifröcke wirkungsvoll ausschwingen zu lassen. Bunte Blumenrabatten wie gestickte Teppiche. Verschwiegene Boskette, Laubengänge, Heckenlabyrinthe, die heimliche Absonderung von der Gesellschaft und neckische Versteckspiele erlauben. Ein breiter Fächer lockender Ziele im Park: Bahnen und Vorrichtungen für Kegel- und Ballspiele, für Paß- und Mailspiel, Rasenterrassen für die Zuschauer von Turnieren, Musik- und Theateraufführungen im Freien. Vor allem die Extra-Lustschlößchen, der asiatisch angehauchte Tee- und Café-Pavillon Pagodenburg, die Badenburg mit „türkischem“ Bassin, die Amalienburg mit dem europaweit extravagantesten Jägerhochstand für Fasanenabschuß auf dem Dach: sie verführten zu amüsanten Expeditionen vom Hauptlustschloß aus.

Freilich war das Spazierengehen nur eine Variante der erlauchten „Erlustierung“. Aufs Pferd zu steigen, in Kutschen oder Jagdwägelchen zu fahren, auf den Wasserwegen des Parks in venezianischen Gondeln zu gleiten, das kam selbstverständlich hinzu.

Sicher, in dieser Epoche begründete man die „sportlichen“ Aktivitäten des Adels guten Gewissens mit dem Motiv der notwendigen „Repräsentation“ des Staates. Sogar als sozusagen medizinisch notwendig rechtfertigte man den ungeheuren Luxus, für den die Untertanen bis zur eigenen tiefsten Verelendung aufzukommen hatten, denn „je schwerer die Regiments-Last, die großen Herren bey Beherrschung ihrer Länder auf dem Halse lieget, je mehr Erquickung und Ergötzlichkeit haben sie vonnöten.“

Immerhin muß es auch zu dieser Zeit schon Spaziergänger und Spaziergängerinnen mit dem Motiv der puren Freude am Gehen und dem Naturgenuß  gegeben haben. Die französische Adlige Marie de Sevigné jedenfalls gesteht in einem Brief vom 4. Oktober 1684: „Ich gehe viel spazieren, einmal einfach, weil strahlendes Wetter ist, dann auch, weil ich schon die kommenden Herbststürme vorausahne. So nütze ich wie ein Geizhals aus, was mir Gott schenkt.“ Für manche der blaublütigen Nymphenburger(innen) hat das sicher auch gegolten.

Wenn man einige Zeit-Schritte weiter spaziert, sind es bereits auch andere „Promis“, die am Montagnachmittag, dem 14. Juni 1763, im Nymphenburger Park promenieren. Bürgerliche, Künstler: Familie Mozart, die Eltern und der siebenjährige Wunderknabe Wolfgang mit Schwester Nannerl. Sie besuchen die Lustschlößchen und die Magdalenenklause, sie umrunden das Schloß, verweilen immer wieder vorgeblich „absichtslos“ vor den Fenstern. Mit Grund.

Vater Leopolds erste große Konzerttournee mit seinen jungen Virtuosen ins „Ausland“, mit erster Station in München, sollte ein Geschäftserfolg werden. Auf den bayerischen Kurfürsten Maximilian III. Josef, den begeisterten Musikfreund, der selbst Viola da Gamba spielt, setzt er diesbezüglich hohe Erwartungen. Wie aber möglichst rasch vorgelassen werden? Jeder Tag kostet eine saftige Hotelrechnung. Die Taktik geht auf. Einer der Prinzen erkennt schließlich die flanierenden Mozarts und sie werden prompt zum abendlichen Konzert vor den Kurfürsten „befohlen“, wo die Kinder glänzend reüssieren.

Einen zweckfreien, genußvollen Spaziergang muß man sich leisten können. Wer als nichtadliger Künstler ganz von der Gunst weltlicher oder geistlicher Fürsten abhing, in deren Händen damals der Kunstbetrieb überwiegend lag, mußte statt  „Müßiggang“ weit eher einen taktischen Geschäftsgang antreten, hinter dem wirtschaftliche Notwendigkeit und Karrierekalkül standen. Leopold Mozart ebenso wie  später sein großer Sohn Wolfgang und viele, eigentlich alle ihre Kollegen. 

Und wieder ein kleiner Zeit-Sprung vorwärts auf dem vielverzweigten Geschichtspfad, ins Jahr 1801. Johann Gottfried Seume reist mehrere Monate lang durch weite Teile Europas, nach Sizilien, mit dem südlichsten Punkt Syrakus, nach Rußland, Finnland und Schweden – zu Fuß. 1803 gibt er sein Buch „Spaziergang nach Syracus“ heraus, berühmt geworden als erster kritischer, kulturhistorischer Reisebericht, dessen Ziel es ist, die sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse der Länder möglichst unverfälscht zu schildern.

Zu Fuß ging Seume – in südlicher Hitze zeitweise bestenfalls auf Esels Rücken reitend – einmal aus materieller Not und asketischer Haltung, vor allem aber, weil ihm diese langsamste der Fortbewegungsarten die genaueste Beobachtung erlaubte. Schließlich wollte er keinen Reiseroman mit Gesellschaftsutopie verfassen, ein bis dahin sehr beliebtes Genre, sondern einen „ehrlichen Beitrag zur Charakteristik unserer Periode“.

Aufklärung, Französische Revolution, erwachende Nationalstaatsideen begannen nach und nach die Ständegesellschaft und die sie krönenden Throne ins Wanken zu bringen – ein langer, schmerzhafter Prozeß. Seume analysierte in seinem vergleichenden Bericht seine „Periode“ auf Grund eigener, leidvoller Lebenserfahrungen. Er war 1781 mit damals üblichen Wegelagerermethoden in die Armee gezwungen, von seinem Landgrafen nach England als Söldner im Krieg gegen Amerikas Unabhängigkeitsstreben verkauft, später dem Preußenkönig Friedrich II. „rücküberstellt“ und nach mehreren Fluchtversuchen nur gnadenhalber zu Kerkerstrafe statt Spießrutenlaufen verurteilt worden. Sein „Spaziergang“ quer durch Europa, als nun freier Wanderer, mit dem Ziel, ein objektiver Auslandskorrespondent, wie man heute sagen würde, zu sein, dokumentiert gesellschaftliche Mißstände und Übergriffe vieler Fürsten, geleitet vom leidenschaftlichen Wunsch nach der Durchsetzung der neuen Ideen von Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit.

Wenn  man ab hier viele weitere Entwicklungsschritte des Themas übergeht, wie zum Beispiel die unbedingte, zweckfreie Öffnung gegenüber der Natur in Goethes Gedicht „Im Vorübergehen“: „Ich ging im Felde / So für mich hin, / Und nichts zu suchen, / Das war mein Sinn … „ oder auch die durchaus ambivalente Eichendorffsche Wanderseligkeit der Romantik überspringt, wenn man sozusagen mit Abkürzern querfeldein über Gräben und Hecken ans Wanderziel, die Gegenwart, spurtet – weil nämlich die Muße am Monopteros nicht ewig dauern kann – dann drängt doch noch unbedingt ein Bild vor das innere Auge.

Das Bild „Der Sonntagsspaziergang“, 1841 von Carl Spitzweg gemalt. Die Darstellung eines Familienausflugs durch wogende Kornfelder nahe einem kleinen Landstädtchen wie Dachau, ist in ihrer vollendeten Ironie allzu suggestiv und berühmt. Als das ehemals adlige Lustwandeln bei den erstarkten Bürgerschichten ebenfalls Errungenschaft und Mode wurde, bekam es naturgemäß neue Facetten. Mancher durch Familienexkursionen frühkindlich Geschädigte würde sogar von „Schattenseiten“ sprechen. Spitzweg spießte etliche auf:

An der Spitze voran das Familienoberhaupt mit Wohlstandsbauch, die vielschichtige Kleidung – der Hitze wegen gelockert. Den steifen Hut balanciert er auf dem erhobenen Spazierstock, um die ungewohnte Sonnenblendung abzuwehren und schleift die winzige Jüngste nach sich. Die Köpfe von Mutter und Töchtern verschwinden – bis auf die überlange Nasenspitze des offenbar xanthippischen, dürren Eheweibes – ganz in den biedermeierlichen Schutenhüten: Scheuklappen der selbstbezogenen Spießer, die keine Sicht auf die sie umgebenden Schönheiten der Natur haben können und wollen. Die Flora wird ignoriert. An der Fauna vergreift sich bereits der kleine Sohn: er jagt Schmetterlinge mit dem Netz. Die pure Unnatur.

Der sonntägliche Spaziergang nach dem üppigen Festtagsmenü wurde üblich und allgemein, als es endlich durch wirtschaftliche und soziale Fortschritte allgemeiner wurde, auch etwas Üppiges zu verdauen zu haben – natürlich noch weit entfernt von landesweiten Freßwellen und faßartigen Bevölkerungsanteilen. Und erst recht wurde das Spazierengehen umso gängiger, je allgemeiner sich ein Gesundheitsbewußtsein entwickelte, das Bewegung als Wert an sich sah. Damit wurden auch mehr oder minder mondäne Kurorte und –bäder zur verbreiteten Mode – und ihr Mittelpunkt waren die möglichst repräsentativen, luftigen Wandelhallen.

Wandelhallen, wie bei den alten Griechen, den Peripatetikern. Damit kann sich der Kreis und muß der Monolog am Monopteros schließen. Die Mußestunde und Wegrast ist endgültig um. Die letzten Nordic Walker und Jogger, die Hochleistungssportler unter den Spaziergängern, verschwinden in der Dämmerung parkauswärts.

Zeit, zu gehen.

 

Schloßpark Nymphenburg, Bücher, Literatur

 

Alle Nymphenburg Bücher können, wie auch jedes andere Buch dieser Literatur- und Fachreihe “Nymphenspiegel”, sowohl in jeder Buchhandlung als auch direkt bei der Redaktion versandkostenfrei bestellt werden, unter dem Link www.nymphenspiegel.de/nymphenspiegel-baende.

Sie finden unter diesem Link nicht nur die Angaben zu den Bestellmöglichkeiten, sondern auch sämtliche Autoren-Verzeichnisse aller bisher erschienenen Bücher.

Das Copyright auf alle Texte liegt bei den AutorInnen, für deren Verwendung im Nymphenspiel, bei der Redaktion, und ist zu respektieren.

 

Ralf Sartori

 

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